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Was soll ich eigentlich studieren? Diese Frage bewegt nicht nur viele Schulabgänger*innen, die sich überlegen, wie ihre nächste Zukunft aussehen soll. Ich möchte jedoch gerne eine andere Frage bewegen: Warum soll ich überhaupt studieren? Was ist der Sinn und Zweck eines Studiums?
Für die Entscheidungsträger*innen des sogenannten Bologna-Prozesses, der den Europäischen Hochschulraum seit 1999 maßgeblich verändert hat (und weiterhin verändert), ist das entscheidende Kriterium für oder gegen ein Studium in dessen ökonomischer Verwertbarkeit zu suchen. Einer der deutschen Protagonist*innen der Reform brachte es einmal wie folgt auf den Punkt: „Der Prozess [gemeint ist der Bologna-Prozess] folgt einem übergeordneten Ziel, das die Staats- und Regierungschefs Europas im Jahr 2000 in Lissabon formuliert haben […]: ‚making Europe the most competitive and dynamic knowledge based economy in the world capable of sustainable economic growth with more and better jobs and greater social cohesion‘ – darum geht es“ (Gaehtgens 2003, S. 8).
Folgt man dieser Logik, so wird Bildung immer schon für bildungsferne Zwecke genutzt – für die Strategie einer erfolgreichen volkswirtschaftlichen Entwicklung. Diese zwingt die Bildungssysteme ganzer Länder ebenso wie einzelne Studierende und Lehrende dazu, sich ökonomischen ‚Gesetzen‘ zu fügen und ihnen entsprechend zu handeln. Eine solche ‚Ökonomisierung‘ von Bildung kann deswegen um sich greifen, weil soziale Prozesse alleine auf Grundlage von ökonomischen Kategorien betrachtet werden. Ein ökonomisiertes Denken gleicht dem Blick durch eine bestimmte, ökonomische Brille. Alles, was durch sie betrachtet wird, erscheint in Form ökonomischer Gesetze und Prinzipien (bspw. als nutzenmaximierendes Verhalten, als Kosten für eine Unternehmung oder als möglicher Gewinn derselben). Blickt man mit dieser Brille auf das Bildungsgeschehen, so drängt sich vor allem eine Maßgabe auf: Bildung muss sich lohnen. Und als Lohn gilt nur, was sich in ‚barer Münze‘ bezahlt macht. Dieser Imperativ gilt für Bildungsreformer*innen ebenso wie für Studierende. Entscheidungen für oder wider Studiengänge, Hochschulen und Praktika werden dann immer am Horizont ihrer Verwertbarkeit getroffen.
Warum soll ich studieren? Viele junge Menschen treibt etwas anderes an, als die Sorge um ihren eigenen Geldbeutel. Sie haben einen Blick für Fragen, die sie selbst übersteigen und die deswegen besonders wichtig erscheinen: Fragen globaler Armut, sozialer Ungerechtigkeit oder ökologischen Raubbaus. Nicht selten sind dies Phänomene, die ebenfalls mit Ökonomisierungsprozessen in den jeweiligen Bereichen zusammenhängen. Ihnen gegenüber gilt es einen verantwortungsvollen Umgang, einen ehrlichen Blick zu entwickeln. Dieser Blick wird nicht getrübt durch eine Brille, die immer schon vorweg nimmt, was überhaupt gesehen werden kann. Er wird geleitet von der Erfahrung eines Anliegens, dem es gerecht zu werden gilt und das nach tatkräftigen Lösungen ruft. Angesichts der gegenwärtigen Krisenerscheinungen gilt es heute mehr denn je, Bildungsorte zu schaffen und zu stärken, die eine solche Verantwortungsübernahme ermöglichen. Nur so kann die Frage nach dem ‚Warum?‘ eines Studiums wieder mit Sinn gefüllt werden.
Autor:
Lukas Bäuerle, geb. 1988, beteiligte sich nach seinem volkswirtschaftlichen BA-Studium am Aufbau der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues. Nach Beendigung seines MA-Studiums in ‚Ökonomie‘ wird er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein. Die Hochschule ist eine der wenigen akademischen Selbstgründungen der Bundesrepublik und geht in ihren BA- und MA-Studiengängen neue Wege ökonomischen und philosophischen Denkens wie Handelns.
Quellen:
Gaehtgens, Peter. 2003. „Begrüßung“. In: Mit dem Bachelor ins Unternehmen. Auswirkungen des Bologna Prozesses auf Ausbildungs- und Karrierestrukturen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Herausgegeben von BDA, Stifterverband für die deutsche Wirtschaft, und Hochschulrektorenkonferenz, S. 9–12. Berlin.
Wer mehr studieren möchte, als BWL, Medizin oder Ingenieurswesen, kann sich hier nach grünen Studiengängen umsehen. Von Umweltwissenschaften über Agrarökolgie und Technischen Umweltschutz bis zu Global Change Management ist für jede Spezialisierungsrichtung etwas dabei. Grüne Studiengänge sind heute weit mehr als nur naturwissenschaftlich geprägt, viele Universitäten bieten auch einen geisteswissenschaftlichen Ansatz an und untersuchen, wie eine gesellschaftliche Transformation gelingen kann.
Auf dem Arbeitsmarkt ist es wichtig, breit aufgestellt zu sein – heißt es immer. Ein Großteil der Universitäten bildet Studierende aber nur zu Spezialist*innen ihres Fachs aus und lässt jeden Perspektivenwechsel auf der Strecke. Universitäten, die alternative Studienkonzepte anbieten und den Anspruch haben, ihre Absolvent*innen interdisziplinär auszubilden, sind zum Beispiel die Leuphana Universität in Lüneburg, die Alanus Hochschule in Alfter (NRW), die Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues (Rheinland-Pfalz) oder die Zeppelin Universität am Bodensee.