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Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Beitrages zur Jugendumweltbewegung für „Degrowth in Bewegung(en)“
Weil unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht möglich ist, wurde in den letzten Jahren die Kritik an ökologischen Zerstörungen zunehmend mit einer Ablehnung des bestehenden Wirtschaftssystems verbunden. Umweltbewegte junge Menschen interessieren sich für systemische Fragen und kritisieren ein Wachstums- und Wettbewerbssystem, das auf Kosten von Umwelt und Menschen geht. Obwohl unser Protest in erster Linie ökologisch motiviert ist, richten sich Kritik und Aktionsformen immer stärker darauf aus, die dahinterstehenden Ursachen anzugreifen. Damit teilt die BUNDjugend wie auch andere Jugendumweltverbände die Werte vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, die für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel streiten. Es ist folglich kein Zufall, dass die BUNDjugend das globalisierungskritische Netzwerk Attac mitgegründet hat. Heute werden unter dem Begriff Postwachstum und Degrowth viele Workshops, Aktionen und Projekte organisiert, die sich um eine sozial-ökologische Transformationen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft drehen.
Die neu entstandene Degrowth-Strömung und -Debatte funktioniert wie ein neues Dach, unter dem sich auch die Jugendumweltbewegung gruppieren kann. Hier erkennen wir Überschneidungen und Gemeinsamkeiten mit anderen Bewegungen, Initiativen und Projekten und können die eigenen Anliegen in einen größeren Rahmen einordnen. All dies passiert auch auf eine wesentlich unkompliziertere Art und Weise als bei den Erwachsenenverbänden. Schließlich sind die meisten jungen Umweltaktivist*innen ohnehin der Meinung, dass ein großer sozialer und ökologischer Umbau notwendig ist.
Als eine zentrale Schnittstelle zwischen der deutschen Degrowth-Bewegung und der Jugendumweltbewegung erscheint uns das Thema der Suffizienz und die Frage danach, wie alle genug haben können. Die jungen Umweltaktivist*innen legen großen Wert auf persönliche Suffizienz und leben vor, wie ein möglichst suffizientes Leben im Alltag umgesetzt werden kann. Sie hinterfragen die herrschende Logik des Immer-höher-schneller-weiter-und-mehr und haben große Freude am Energiesparen, Klimafasten, Teilen und Schenken und an Verpackungsfreiheit. Sie sind die Pioniere eines konsequent ökologischen und nachhaltigen Lebensstils und fordern, diesen auch für andere zugänglich zu machen. Sie haben erkannt, dass der Lebensstil der industrialisierten Länder nur auf Kosten von Umwelt und Natur und von Menschen im globalen Süden zu haben ist und dass der ökologische Fußabdruck ihrer Generation den kommenden auf die Füße fällt. So sehen sie in der persönlichen und gesellschaftlichen Suffizienz eine mögliche Strategie, um nicht nur ökologische Krisen zu vermindern, sondern auch selbst unmittelbar aktiv zu werden.
Wer die eigene Ernährung, die Mobilität oder das Kaufverhalten ökologischer und nachhaltiger gestalten kann, erfährt unmittelbar, dass hier und sofort etwas veränderbar ist. Viele junge Menschen haben das Vertrauen in schnelle und wirksame Veränderungen auf politischer Ebene verloren, sodass ihnen die Umstellung auf einen nachhaltigen Lebensstil einen Teil ihrer Wirkmächtigkeit zurückgeben kann. Während Forderungen an die politische Ebene oft mit Misserfolg oder Ignoranz enden, kann ein suffizienter Lebensstil unmittelbar Ressourcen schonen – wenn auch die tatsächliche Wirksamkeit oft im Unklaren bleibt. Die eigene Praxis und vor allem die damit verbundene Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren und im eigenen Leben zu experimentieren, liefern viele positive Beispiele für Forderungen aus der Degrowth-Debatte.
Die jungen Umweltaktivist*innen zeigen, dass ein suffizienter Lebensstil Spaß machen kann, das eigene Leben bereichert und das Gemeinschaftsgefühl fördert. Die teils als utopisch angesehenen und dafür kritisierten Ideen und Ideale einer nachhaltigen Degrowth-Gesellschaft werden schon jetzt von diesen jungen Menschen gelebt. Sie sind Vorbilder, Pionier*innen und Experimentierende und damit lebender Beweis für einen möglichen gesellschaftlichen Wandel und kulturellen Mentalitätswechsel. Gerade auch in der Auseinandersetzung mit den verkrusteten Strukturen der Erwachsenenverbände wird das auch immer wieder angeführt: „Schaut her, ihr Großen da oben! Während ihr noch debattiert und mit klugen Worte um euch schmeißt, haben wir es schon längst getan. Und wisst ihr was? Es ist ganz einfach und es macht großen Spaß!“
Mit der Degrowth-Bewegung im Rücken können die jungen Umweltaktivist*innen den eigenen politischen Forderungen mehr Gewicht verleihen und sie mit der Forderung nach einer anderen, nachhaltigeren Wirtschaftsweise verbinden. Die Degrowth-Bewegung kann sich wiederum von der Jugendumweltbewegung Orte und Themen des Protests abschauen und Degrowth dadurch sehr viel konkreter machen, als es die theoretische Debatte vermuten ließe.
In diesem Sinne besteht zwischen Degrowth und Jugendumweltbewegung eine Partnerschaft, die beide stärkt und von der das Lobbying für Degrowth-Politik profitiert. Ob dies in einem reformerischen Maße geschieht und zum Beispiel der Ausbau von Fahrradstraßen gefordert wird oder ob die ökologischen Anliegen mit einer scharfen Kritik an ausbeuterischen Strukturen des kapitalistischen Systems verbunden werden, bleibt den Aktiven überlassen. Wie oben gezeigt, ist der Spielraum in der Jugendumweltbewegung hier groß genug, und in der Degrowth-Debatte finden sich diverse Anregungen.
Die Degrowth-Bewegung zeigt uns, dass wir nicht mehr nur an kleinen und schrittweisen Verbesserungen arbeiten, sondern bei unserem Aktivismus immer auch den großen Wandel im Blick behalten sollten. Diese Haltung erfordert eine Portion Zuversicht, Pragmatismus und die Einsicht, dass vieles auf diesem Weg Experimentiercharakter hat. Hier möchten wir auch an uns selbst appellieren, uns auf unsere Wurzeln zurück zu besinnen und auf den widerständigen Geist der Gründung der Jugendumweltbewegung, ohne die zwischenzeitlichen kollektiven Erfahrungen und organisationalen Lernprozesse außer Acht zu lassen. Die Begründer*innen der Jugendumweltbewegung waren mutig genug, einen Systemwandel zu fordern. Traten unsere Vorgänger*innen nicht genau mit dieser Absicht in Aktion, weil sie verkrustete Strukturen aufbrechen und gerechte und ökologische Ideale jetzt leben wollten? All diese Ideen und Ansprüche finden sich heute auch in der Degrowth-Bewegung und ebenso in der Jugendumweltbewegung wieder.